Immer wieder werde ich gefragt: wie hast Du das geschafft?
Wie hast Du das überlebt? Wie konntest Du Dich befreien? Ich habe beschlossen Dir meine Geschichte zu erzählen. In kleinen Botschaften. Jeden Tag (oder jede Woche, mal sehen ) ein Puzzleteil.
Heute geht es um den sogenannten Turning Point. Es gibt diesen einen Moment, in dem sich alles ändert. Vielleicht kennst Du das auch: jahrelang zu leiden. Jahrelang sich klein zu machen, zu opfern, zu verleugnen und Gewalt antun zu lassen. Sich anzupassen und zu verstellen.
Warum lassen wir so etwas mit uns machen?
Bei mir war es so: ich kannte es nicht anders. Ich hatte von klein auf gelernt, dass Beziehung bedeutet, einen Preis zahlen zu müssen. Ich hatte von klein auf zutiefst verinnerlicht, nicht in Ordnung zu sein. Es nicht wert zu sein und anders werden zu müssen, um geliebt werden zu können.
Ich war ein sehr lautes, wildes und wie mir immer gesagt wurde: ein streitsüchtiges Kind. In Wahrheit war ich einfach ich selbst. Noch sehr lange, obwohl ich sehr viel Bestrafung und Verletzung dadurch erfahren habe. Ich habe gekämpft. Um mich und auch um die Beziehungen zu meinen Bezugspersonen. Meine Fähigkeit, Unstimmigkeiten zu spüren und schonungslos in die Verbindung zu bringen, wurde als Streitsucht abgetan.
Aber in Wahrheit war es jedes Mal ein Versuch, die Beziehung wahrhaftiger, echter zu machen. Das war mir natürlich nicht bewusst. Ich habe im Laufe der Jahre immer mehr geglaubt, dass das ein Fehler sei. Irgendwann war meine Verzweiflung so groß, dass ich (im Alter von vielleicht 7 Jahren) eine folgenschwere Entscheidung getroffen habe: ich wurde still. Damals dachte ich, dass es die Menschen um mich herum bemerken, verstehen und endlich einsehen würden, dass ihnen dann etwas fehlen würde: nämlich ich.
Aber das Gegenteil war der Fall. Sie waren zufrieden.
Das traf mich so hart, der Schmerz darüber war kaum auszuhalten. Es gelang mir natürlich nicht wirklich still zu werden, immer wieder brach es aus mir heraus. Schon damals fühlte es sich an, als könnte ich an diesem Schmerz sterben. Aber ich hatte noch eine andere Fähigkeit: mich in meine Traum- und Fantasiewelten zu flüchten. Das tat ich dann. Es fühlte sich an, als würde ich zwei Leben leben: eines als ein Schatten von mir selbst, in Familie, Kindergarten, Schule, umgeben von „funktionierenden“ Menschen. Und eines in anderen Welten, voller Abenteuer, Liebe, echten und magischen Begegnungen.
Im Laufe der Zeit ging mir aber immer mehr der Kontakt zu den anderen Welten verloren und ich glaube, mit ihm große Anteile von mir selbst.
Ich hatte mich gespalten.
Ich war nur noch ein Schatten. Ich war nur noch Kopf. Hatte keinen Kontakt mehr zu meinem Körper und seiner Weisheit, seinen echten und wahrhaftigen Empfindungen. Das war der Grund, warum ich es nicht bemerkte. Oder besser gesagt, zu spät bemerkte. Ich habe in meinem Leben viel Gewalt erlebt. Vor allem sehr viel sexuelle Gewalt. Ich habe K.O.-Tropfen bekommen, wurde vergewaltigt, ich habe fast ein ganzes Jahrzehnt Missbrauch in einer Beziehung erlebt. Und das Schlimmste war: ich wusste es nicht. Es war so „normal“ für mich.
Die Welt, in der ich lebte, war einfach so: gnadenlos.
Aber irgendwann gab es wieder einen Turning Point. Nur diesmal in die andere Richtung. In Richtung Leben. Es waren so viele Jahre vergangen, in denen ich gelitten hatte, ohne es so richtig zu realisieren. Aber dann machte mir mein Körper ein Riesengeschenk: einen Totalzusammenbruch. Ich konnte nicht mehr. Ich hatte jahrelang funktioniert, geleistet, zur Verfügung gestanden, mich zu Tode geschuftet und mir keinerlei Pausen oder Auszeiten erlaubt.
Ich lebte seit Jahren in Isolation und einfach nicht mein eigenes Leben.
Dieser Zusammenbruch änderte alles.
Er öffnete mir die Augen. Ich musste mich dem stellen. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Von diesem Moment an, kamen die Geschenke des Universums zu mir. Ich begann zu lesen, ich verschlang Bücher noch und nöcher und begann immer mehr zu verstehen: ich hatte wirklich ein Recht auf ein eigenes Leben!
Aus heutiger Perspektive so weit weg und fast schon lustig. Aber lustig war es damals nicht. Das war mein zweiter Turning point. Von da an gab es kein Zurück mehr. Ich konnte nicht mehr in das alte Muster. Es dauerte zwar noch zwei Jahre bis ich wirklich fliehen konnte. Aber der letzte Funken Aktivierungsenergie, der den Prozess in den Fluss bringt, war gefallen.
Von da an zog es mich da heraus.
Das Leben selbst schenkte mir Unterstützung, helfende Botschaften, Wegbegleiter, Lehrer und Lehrerinnen und ich musste eigentlich nur eines lernen: die helfenden Hände zu nehmen und es mir wert zu sein. Annehmen und loslassen. Immer wieder.
Heute fühle ich mich so reich beschenkt.
Es fühlt sich wie ein Transformationsprozess eines Phönix an. Heute weiß ich, was noch alles möglich ist. Dass ich WIRKLICH ich selbst sein kann, mit all meinen Genialitäten, aber auch Ecken und Kanten. Dass es Menschen gibt, die sich reich beschenkt fühlen, wenn ich ganz ich selbst bin.
Das ist für mich eines der schönsten Wunder in diesem Leben!
Ein weiteres wunderschönes Wunder ist, dass Menschen mir ihr echtes So-Sein schenken. Endlich fühle ich die Entspannung von echten und tragenden Beziehungen, einfach weil in diese Begegnung alles hineingebracht werden kann, was da ist und kein Preis mehr dafür gezahlt werden muss. Im Gegenteil. Es gibt diese wundervollen Begegnungen, in denen immer mehr von mir und dem anderen möglich ist.
Es sind Beziehungen der Fülle.
Dafür bin ich so dankbar. Und ich liebe es, Menschen genau diesen Weg aufzuzeigen: aus den toxischen Mustern der „alten Welt“, hinein in die Fülle der „neuen Welt“.
Gerade jetzt, gerade in diesen Zeiten. Das ist meine Liebeserklärung an die Welt und die Menschen, mit denen ich arbeite: Sei Du selbst!
Danke Leben!
Was ist Dein Turning Point?
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